Glosse - ehrlich. Aber was mit Karriere!
Georg M. Sieber
So ist er nun mal, der Rezo-Zwilling: Er schätzt Geschichten wie die vom gordischen Knoten. Draufhauen! Alles schlagartig umstellen. Endgültig. Den Schalter umlegen. Zuschnappen! Jetzt sofort! Die alte Rede vom Ende mit Schrecken, das einem Schrecken ohne Ende vorzuziehen sei.
Wie das geht? Das geht mit einem genialen Tool „Überzeugende, leidenschaftliche und kenntnisreiche Kommunikation“. So vernebelt man das Bewusstsein. „Selbstbewusst über Erfolge sprechen!“ raten Workshops und Seminare. Damit gewinnt man Menschen für Ziele und Gedanken, für Sinn und Zweck von Wirtschaft. Alles mit Geduld, Tiefgang und Offenheit. Nicht etwa nur mit Wörtern, sondern auch mit persönlichem Vorbild. Wecken wir also in uns den Rezo! Sogenannte Zustände lauthals und ausführlich adressieren! Denn: Industrie 4.0 ist da! Jetzt gegen die aberwitzige Dauer hiesiger Genehmigungsverfahren! Die Talfahrt des deutschen Exports sofort stoppen. Das kommt an. Das zündet.
Es ist nur Pech, dass nicht jeder seinen Rezo-Text gelesen oder doch zumindest verstanden hat, was ihm der Redenschreiber daraus angerichtet hatte. Jedenfalls kommt Rezo-Jargon bei vorgeschädigten Personen attraktiv rüber – speziell die kraft-strotzende Machernote.
Nicht wenige Politiker halten diesen Jargon ja auch für typischen O-Ton von start-up-Unternehmern & -Managern. Richtig ist aber: lautstarke, heftige Forderungen sind die Fanfare unterprivilegierter Minderheiten. Schreiend erregt auf den Tisch hauen – das verrät den überforderten Schwachmaten, der es unerwartet irgendwann doch noch zu etwas gebracht hatte.
Schon bloßes Schreisprechen verrät akuten Stress. Aufstampfen und Zähnefletschen? Das ist Zoo-party.
Da diagnostizieren Primatenforscher Stress-Syndrome. Systemische Managementbeobachter dagegen behaupten zu wissen, dominante Auftritte seien ein untrüglicher Beweis von Selbstsicherheit, innerer Stärke und Urteilskraft. Primaten- und Managementbeobachter sollten voneinander lernen! Das würde sich lohnen.
Einstweilen ist „demonstrative Dominanz“ eines der erklärten Haltungsziele der Elite-Propagandisten und Optimierer. Selbstbewusst über sich selber und die persönlichen und beruflichen Erfolge sprechen zu können – das soll die halbe Strecke zum Gipfel sein.
Ein mehrstöckiges Dinner neben Absolventen solcher Erfolgskurse aushalten zu müssen – das müsste als Strafe anerkannt werden.
Die erbarmungslosen Selbstglorifizierer scheinen übrigens von Jahr zu Jahr jünger und unerfahrener zu werden. Früher gab es interessante und wunderbar entspannte Geschäftsessen, in denen es nach frischen Provokationen auch immer noch die Chance einer präzisen Rückfrage gab. Die Zeiten sind vorbei. Heute gilt: Draufhauen. Schalter umlegen. Die Fanfare hören lassen. Auf die Tube drücken. Erfolge erfolgreich vorführen.
Unser Autor
Georg M. Sieber, Jahrgang 1935, ist Diplompsychologe in München. 1964 gründete er sein Institut für Angewandte Psychologie, die Intelligenz System Transfer GmbH (11 Niederlassungen). Sein persönliches Interessengebiet sind Schriften historischer Vorläufer der heutigen Psychologie, de Federico II., Machiavelli, Palladio, Ínigo López de Loyola u.a.
Für den fachlichen Austausch steht er gerne zur Verfügung:
Georg.Sieber@IST-Muenchen.de
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