1 Milliarde Steuergeld für Zensur?
Die Deutsche Justiz hat ihre eigenen Urteile seit 2002 nicht selbst durchsucht, sondern lässt diese Dienstleistung von den Datenbankanbietern Juris GmbH und Beck-Online erbringen. Seither wurde insgesamt vermutlich über eine Milliarde Euro Steuergeld an beide Anbieter ausgebracht. Zeitgleich bezahlen die beiden Anbieter Richter privat, beispielsweise dafür, dass diese die eigenen Urteile dort einreichen mit geänderter Auffindbarkeit. Die Justiz kaufte sozusagen jedes eigene Urteil, z.B. aus dem Jahr 1964, zwischenzeitlich mehr als 32x (zweiunddreißig mal) zurück. Dabei entscheiden diese externen Anbieter, welche Urteile als relevant anzusehen sind, also überhaupt aufgenommen werden und wie diese bei Suchanfragen angezeigt werden.
Damit begibt sich die Justiz freiwillig auf das Niveau eines unmündigen Bürgers, dessen elektronischer Account von einem anderen voreingestellt wird. Unter Aufhebung der Gewaltenteilung (Montesquieu), die in unserem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip vorgesehen ist (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG), da hier die Exekutive als Mehrheitsgesellschafterin der Juris GmbH der Judikative vorgeben könnte, welche Entscheidungen relevant sein sollen bzw. der Judikative überhaupt zur Kenntnis gelangen. Das bedeutet nichts anderes als eine mögliche Zensur, also einen eigentlich nicht hinnehmbaren Zustand.
Im Jahr 2020 ist es jedoch keine „Raketenwissenschaft“ mehr, eine Urteilsdatenbank mit Volltextsuche online anzubieten. Daher ist es heute schlicht inakzeptabel, dass die Justiz nicht selbst eine vollständige (!) Urteilsdatenbank betreibt und damit das täglich benötigte Arbeitsmittel unabhängig (!) selbst betreibt. Nebeneffekt: Auch dem Bürger, der all diese Urteile mit Steuermitteln bezahlt hat, könnte die Justiz diese Urteile kostenfrei im Internet bereit stellen. Die Vorteile alleine im Bereich der Transparenz und Rechtssicherheit können nicht hoch genug bewertet werden. Zudem könnten anwaltliche Dienstleistungen tendenziell günstiger angeboten werden, wenn nicht teure Datenbankzugänge eingekauft werden müssten. Nebeneffekt: So manche Fehlberatung aufgrund unterbliebener Recherche könnte damit wohl auch vermieden werden.